Durch 12 verschiedene Objekte und Ausstellungsstücke im DenkRaum Sophienkirche lässt sich die lange und facettenreiche Geschichte der Stadt Dresden auf eine ganz neue Art entdecken.
Das Klostermodell | 13. Jahrhundert
Im 13. Jahrhundert ließ sich der Franziskaner Mönchsorden auch in Dresden nieder. Die Franziskaner, auch Barfüßer genannt, errichteten ihre Klosteranlage direkt an der Stadtmauer südöstlich vom Schloss am Taschenberg zwischen der Großen und Kleinen Brüdergasse, die bis heute, auf die auch Minderbrüder genannten Mönche, erinnert. Das Franziskanerkloster wurde urkundlich erstmals 1272 erwähnt, bestand aber vermutlich zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre. Die Klosteranlage beinhaltete zuerst eine einfache Kirche (Barfüsserkirche genannt) mit dem südlich gelegenen Kirchhof mit Gräbern und nördlich gelegenen bescheidenen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und einem ausgedehnten Klostergarten. Die Mönche lebten nach ihren Ordensregeln, sie predigten regelmäßig, nahmen die Beichte, verliehen Ablaß und kümmerten sich um die Begräbnisse Dresdner Bürger, dadurch und aufgrund ihr frommes Leben, erwarben sie sich ein gewisses Ansehen in der Stadtgesellschaft.
Die Klosterentstehung geht auf Markgraf Heinrich den Erlauchten (1221-1288) zurück, der besonders die Städte in seinem Herrschaftsbereich förderte, daher stiftete er auch in Dresden das Minoritenkloster und stellte für den Klosterneubau den Platz unweit des Willsdruffer Tores zur Verfügung. In seiner Regierungszeit erhielt Dresden Marktzoll (1271) und die erste Brücke über die Elbe (1275). Zu dieser Zeit wurde Dresden bereits als Stadt erwähnt und entwickelte sich aus einer Kaufmannsiedlung nahe einer Burg der Markgrafschaft Meißen, die damit den Elbübergang nahe dem sorbischen Dorf Drezdany schützen wollte.
Die Konsolbüsten | 14. Jahrhundert
Die Konsolbüsten stellen von links nach rechts die Ehefrau des Bürgermeister Lorenz Busmann, ihn selbst, einen Engel und ein Blattwerkornament dar. Lorenz Busmann stammt aus einer damals besonders wohlhabenden Patrizierfamilie und war insgesamt viermal Bürgermeister der Stadt Dresden (1392, 1400, 1403 und 1406). Die Busmanns waren zudem vermutlich die ersten Dresdner Bürger, die bildlich dargestellt wurden. Die zwischen 1398 und 1406 erbaute Busmannkapelle diente ihm als Grabstätte für sich und seine Frau, da sich durch die Bestattung im Kloster Vorteile vor Gott nach dem Tod erhofft wurden. Deshalb ließ er sich nach seinem Tod in einfacher Mönchskluft darin begraben.
Dresden war zu dieser Zeit circa ein Quadratkilometer groß und hatte um die 4000 Einwohner.
Im Jahr 1401 erlaubte Markgraf Wilhelm der Einäugige den Franziskanern "in Anbetracht ihrer merklichen Gebrechen und Notdurft", in der Dresdner Heide so viel dürres und windbrüchiges Holz zu sammeln, als sie für ihr Kloster bedurften. Außerdem gab er ihnen 8 Pfund Wachs aus der Dresdner Heide und 4 Schock Gulden von der Jahrrente, die er aus Dresden bezieht, wofür die Mönche 12 mal im Jahr für des Markgrafen verstorbene Gemahlin Elisabeth von Mähren und nach seinem Tod für ihn selbst Vigilien und Seelenmessen abhalten und dabei ein Tuch legen und 4 Kerzen aufstecken sollten.
Die Glocke | 15. Jahrhundert
Die Glocke wurde im Jahre 1486 von Heinrich Kannengießer an das Franziskaner Kloster gestiftet. Da im Bettelorden zu der Zeit keine Glockentürme mit vollem Geläut erlaubt waren, wurde die Glocke im Dachreiter der Klosterkirche angebracht. Kannengießer war Geschützgießer und unterhielt zudem eine Gießerei in der westlichen Südvorstadt Dresdens. Er war außerdem 1501 und 1504 Dresdner Bürgermeister. Im Jahre 1491 vernichtete ein verheerener Stadtbrand ein Teil der Stadt. Kannengießer goss auch für die von Feuer ausgebrannte Kreuzkirche eine neue Glocke.
Ecce Homo | 16. Jahrhundert
Der Ecce-Homo-Christus war Teil des Nosseni Epitaphs und stellt den verhöhnten Jesus vor seiner Kreuzigung dar. Da Nosseni, ein bedeutender Bildhauer aus der Schweiz, bereits 1606 im Auftrag der Kurfürstin Sophia den Hauptaltar der Sophienkirche schuf, wurde ihm als Hofbildhauer eine Grabstätte in der Sophienkirche zur Verfügung gestellt. So entwarf er bereits vier Jahre vor seinem Tod für sich ein Grabmal, welches dann durch die Bildhauer Sebastian Walther und Zacharias Hegewald ausgeführt wurde. Das Grabmal wurde nach Nossenis Tod 1620 am westlichen fünften Pfeiler der Kirche angebracht. Zwei weitere Reliefs dieses Grabmals mit der Abbildung von Nosseni selbst und seiner Ehefrauen befinden sich heute im Dresdner Stadtmuseum.
Die Figur wurde während des 2. Weltkrieges zur Sicherung in das Untergeschoß der Frauenkirche verbracht und nach dem Einsturz der Kirche unten deren Trümmern begraben aber auch verwahrt, so dass sie während des Wiederaufbaus geborgen und später restauriert werden konnte. Nach einem Aufenthalt in der Kreuzkirche steht sie nun wieder fast am originalen Standort.
Im September des Jahres 1620 beteiligte sich Kursachen, worunter sich auch die Stadt Dresden befand, erstmals am Dreißigjährigen Krieg.
Die Grabplatten | 17. Jahrhundert
Bereits die Klosterkirche diente als Begräbnisstätte und auch die Sophienkirche wurde nach ihrer Neuweihe 1602 als solche genutzt. So registrierte 1709 der Kircher Gottlob Oettrich 132 liegende Epitaphien, 71 aufgehängte Fahnen und Schilde sowie 28 Inschriften und Epitaphien in der Kirche. Beerdingt wurden hier vorallem Leute aus dem gehobenen Bürgertum und des sächischen Adels. Einer davon war zum Beispiel Rudolf Vitzthum von Apolda, der 1639 starb und in der Sophienkirche begraben wurde. Er stiftete mit seinem Nachlass von 86.000 Gulden das Vitzthum-Gymnasium, welches sich heute in Dresden-Zschertnitz befindet.
Grabstein Polycarp Leyser | 17. Jahrhundert
Die heute in der Westwand der Busmannkapelle angebrachte Grabplatte verweist auf den lutherischen Theologen und kursächsischen Oberhofprediger Polykarp Leyser dem Älteren. Er wurde 1590 für seine Dienste in den Adelstand erhoben und trat in Dresden 1594 das Amt als Oberhofprediger an. In politischen Predigten am Dresdner Hof kämpfte er für die Eigenständigkeit der Kirche in Kursachsen. Er kritisierte auch die Obrigkeit und betonte die politische und soziale Verantwortung der Regenten und Hofbeamten. Nach seinem Tod im Februar 1610 wurde er am 1. März feierlich in der Sophienkirche beigesetzt. Leysers Grabstein steht zu dem für die Wirkungsstätte der evangelisch-lutherischen Hofprediger nach der Erhebung der Sophienkirche zur evangelische Hofkirche ab 1737.
Während der Lebzeit von Polycarp Leyser stieg die Einwohnerzahl Dresdens von 6.500 im Jahre 1546 auf 14.793 im Jahre 1603 rasant an.
Das Kirchenmodell | 19. Jahrhundert
Seit dem 14. Jahrhundert wurde die Sophienkirche mehrfach umgebaut. Eine der größten Umbauten fand zwischen 1864 und 1868 statt und wurde von einem Schüler Gottfried Sempers, dem Architekten Christian Friedrich Arnold, umgesetzt. Hierfür versuchte Arnold den Eindruck einer einheitlichen, repräsentativen Kathedrale zu erwecken. Dabei wurde an die Kirche links und rechts niedrigere Seitenschiffe hinzugefügt. Außerdem bekam die Kirche zwei 66 Meter hohe Türme an ihrer Westseite.
Neben dem Umbau der Sophienkirche im Stil der Neogotik wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele weitere Gebäude in der Stadt neu- oder umgebaut wie zum Beispiel ein neues Rathaus, ein Opernhaus und zusätzliche Elbbrücken. Durch diese Neu- und Umbauten sowie die Wirkung als Industriezentrum für Feinmechanik während der Industrialisierung wurde Dresden allmählich zur Großstadt. So war Dresden um die Jahrhundertwende mit einer halben Millionen Einwohnern die viertgrößte Stadt des deutschen Reiches.
Die Bibel | 20. Jahrhundert
Die Bibel des Pfarrers Paul Richter steht sinnbildlich für die dunkelste Zeit der evangelischen Kirche im 20. Jahrhunderts. Paul Richter war evangelischer Pfarrer und Teil der bekennenden Kirche (BK), die sich als Oppositionsbewegung im Gegensatz zu den regimetreuen Deutschen Christen (DC) verstanden. Er missachtete Anordnungen der Nationalsozialisten und sprach sich in seinem Predigten klar gegen das Führerprinzip und den Rassenwahn aus. Somit war er einer der Wenigen, die innerhalb der evangelischen Kirche aktiven Widerstand gegen das NZ-Regime leisteten.
Er wurde im Oktober 1941 von der Gestapo verhaftet und war im Polizeigefägnis in Leipzig inhaftiert, bis er im März 1942 ins KZ Dachau überstellt wurde. Dort starb er 1942 im Alter von 48 Jahren. Seiner Frau wurde seine Asche sowie die Bibel als Warnung mit den Worten "Wenn ihr Theater macht, kommt ihr auch dort hin" nach seinem Tod überbracht.
Der Schlüssel | 13. Februar 1945
Mit diesem Schlüssel wurde am 12. Februar 1945 das letzte Mal die Sophienkirche abgeschlossen. Drei Monate vor Ende des zweiten Weltkrieges, am 13. und 14. Februar 1945 wurde Dresden, welches bisher kaum Kriegszerstörungen aufwies, zum ersten Mal zu einem Großziel alliierte Luftstreitkräfte, wobei weite Teile der Innenstadt massiv zerstört wurden. Auch die Sophienkirche brannte aus, blieb aber als relativ gut erhaltene Ruine bestehen. Die Zerstörung der Residenzstadt am Elbufer mit wahrscheinlich bis zu 25.000 Toten steht repräsentativ für die Folgen und das Leid des grausam geführten Vernichtungs- und Eroberungskriegs der Nationalsozialisten.
Walter Ulbricht | 11. August 1956
Die Ruine der Sophienkirche war nach den Luftangriffen im Februar 1945 relativ gut erhalten, lediglich einer der beiden Nordtürme war stark beschädigt. Nach dem Einsturz des Gewölbes im Winter 1946 verfiel die Ruine immer weiter, dennoch hielten Experten einer Wiederaufbau für möglich. Dennoch beschloß die Stadt auf Druck der SED und Walter Ulbrichts einen Abriss. Die Kirche sollte ganz im Sinne des sozialistischen Weltbildes einem modernen H0-Restaurant weichen. Mit einem letzten mutigen Aufruf versuchten vier junge Dresdner Architektinnen und Architekten, darunter Gerhard Glaser, den Abriss zu verhindern und wurden dafür sogar eine Nacht in Gewahrsam genommen. Dennoch wurde 1962 mit den Abbauarbeiten begonnen. Viele Bauteile gingen verloren, nur wenige Relikte der baulich ältesten Kirche konnten bei Bergungsarbeiten gerettet werden. Die Sophienkirche steht hier unter anderem für den Geist der Nachkriegszeit, der in Dresden durch den Wiederaufbau und der Errichtung eines neuen ideologisch-sozialistisch Staates geprägt ist.
Das Nagelkreuz | 14. November 1940, 12. Februar 2019
Die mittelengländische Industriestadt Coventry wurde im November 1940 durch einen Angriff der deutschen Luftwaffe stark getroffen. Die Kathedrale der Stadt lag in Trümmern. Um so erstaunlicher war es, dass der damalige Bischof von Coventry aus den Trümmern der Kathedrale aus drei Nägeln ein Kreuz formte und dazu aufrief, den Deutschen trotz des schrecklichen Angriffs zu vergeben. Nach dem Krieg entwickelte sich das Nagelkreuz zu einem weltweiten Symbol des Friedens und der Versöhnung. Dresden und Coventry verbindet ein gemeinsames Schicksal. Bei Städte sind Opfer des durch Nazi-Deutschlands ausgelösten und grausam geführten zweiten Weltkrieges. Deshalb entstand nach dem Ende des Krieges eine enge Zusammenarbeit, die 1961 in einer Städtepartnerschaft mündete. In Dresden existieren inzwischen 5 Nagelkreuzzentren, das neuste ist seit seiner Übergabe durch den Bischof von Coventry, Dr. Christopher Cooksworth im Februar 2019 der DenkRaum Sophienkirche.
Der Grundstein und historische Sandsteinquader | 1272 - 2010
Der Grundstein ist nicht nur ein unmittelbares Relikt aus der mehr als 700 jährigen Geschichte der Sophienkirche, sondern verdeutlicht auf besondere Art und Weise die Geschichte der Sophienkirche und der Gedenkstätte.
Den Raum der Stille dominiert eine Wand mit Verblendwerksteinen der Sophienkirche, deren konkrete Herkunft jedoch unbekannt ist. Diese Steine könnten direkt auf den Ursprung der Klosterkirche als einfache, romanische Kapelle verweisen, die sich möglicherweise bereits Mitte des 13. Jahrhunderts direkt an der Stadtmauer befunden hat. Die beiden vertikal aufgestellten, direkt aus dem Boden ragenden Sockelsteine, verweisen heute zusammen mit dem vermauerten Grundstein aus dem Grundmauerwerk der Sophienkirche auf die wiederentstandene, wenn auch architektonisch abstrahierte Busmannkapelle. Die im Grundstein markierten Jahreszahlen benennen entscheidende Eckdaten: 1272 erste urkundliche Ersterwähnung des Minoritenklosters, 1602 Neuweihe zur Kirche St. Sophien, 1737 Erhebung zur evangelischen Hofkirche, 1945 Zerstörung, 1963 Entfernung der Ruine, 19. Januar 2010 Grundsteinlegung. In der später im Grundstein versenkten Kupferhülse wurden aktuelle Tageszeitungen, aktuell gültige Münzen sowie Exemplare der neugeprägten Sophiendukaten eingeschlossen.
Der Weg hin zur Errichtung eines Erinnerungsortes begann jedoch deutlich früher. Bereits 1995 schrieb die Stadt einen Architekturwettbewerb zur Sichtbarmachung des einstigen Standortes der Sophienkirche und zur Aufbewahrung der wenigen erhalten gebliebenen Spolien aus. Hierauf folgte die Markierung des Grundrisses der Sophienkirche durch rote Pflastersteine im Jahre 1998/99. Jedoch erst 2008 konnte mit dem Bau der Gedenkstätte nach dem prämierten Entwurf des Architekturbüros Gustavs und Lungwitz begonnen werden.
Seit dem 9. Oktober 2020 ist der DenkRaum als Ort der Erinnerung, des Austausches und der Versöhnung für die Öffentlichkeit zugänglich.